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Jonathan Hardy

 ¦ Lac humanum: Lac lupinum

SPEKTRUM DER HOMÖOPATHIE

39

SUCHT ¦ 

ESSEN | HEROIN

LAC HUMANUM UND DIE VERWENDUNG BEI

FRÜHKINDLICHER TRAUMATISIERUNG

Die Heilpraktikerin Tanja Hofmann mit Praxis in Hamburg und

Buxtehude hat sich mit der Behandlung frühkindlicher Traumata

beschäftigt und ihre Erfahrungen mit der Arznei Lac humanum

veröffentlicht und mit Fallbeispielen belegt. Sie schreibt: „Früh-

kindliches Trauma – wenn wir diese Begriffe hören, fallen uns die

Kinder ein, die in der vergangenen Zeit durch ihr erlittenes Marty-

rium für Schlagzeilen sorgten. Ursachen für eine Traumatisierung

im Kindesalter sind allerdings nicht nur schwerste Misshandlungen

und sexueller Missbrauch oder eine eklatante Vernachlässigung,

die zur Unterversorgung in der Hygiene und der Nahrung führt.“

Bindungsstörung bei Kindern:

Diese Kinder erlebten ihre El-

tern, bei denen sie instinktiv nach Schutz und Geborgenheit

suchten, als potenziell bedrohlich. Das Urvertrauen, das durch

eine liebevolle und stabile Fürsorge erwächst, hat in diesen Kin-

dern nur kümmerliche Wurzeln austreiben können.

Die Folge einer unsicheren, bedrohlichen Bindung an die Eltern

ist eine Bindungsstörung. Die Autorin beruft sich in ihren Aus-

führungen im Wesentlichen auf den Psychiater und Neurologen

Dr. med. Karl Heinz Brisch und dessen Veröffentlichung „Bin-

dung und seelische Entwicklungswege“, der die Bindungsthe-

orie in Deutschland bekannt gemacht hat. In vielen Fällen weist

auch die Biografie der Mutter, die ihrem Kind eine solche sichere

Bindung nicht bieten kann, selbst ungelöste Trennungs- oder

Verlusterlebnisse oder andere Traumata auf.

3

Symptomatik der Bindungsstörung bei Erwachsenen:

Men-

schen, die unter einer Bindungsstörung leiden, erleben die Welt

als potenziell unsicheren Ort. Sie reagieren ängstlich oder ag-

gressiv, ziehen sich zurück (Depression, soziale Phobie), schwan-

ken zwischen euphorischen Phasen und depressiven Phasen

(manische Depression), entwickeln Angststörungen, zwanghaf-

tes Verhalten, selbstverletzendes Verhalten, eine Suchtkrankheit

oder auch Co-Abhängigkeit

Tanja Hofmann beschreibt in ihrem Fachtext zu Lac humanum

eine ihrer Patientinnen, die seit vielen Jahren eine schädliche und

abhängige Beziehung zu einem Mann führt, der sie als Partnerin

nicht akzeptiert. Diese aber drückt ihr Gefühl, wenn sie mit

In der Homöopathie bilden die „Lacs” (von lat. Lac,

Milch) oder Milchmittel eine eigene Gruppe von Arz-

neien; sie werden aus der Muttermilch des Menschen

und unterschiedlicher Säugetiere gewonnen. Zur Zeit

sind etwa 25 Milchmittel erhältlich.

Copyright ¦ Shutterstock / Rimma Zaynagova

diesem Mann zusammen ist, wie folgt aus: „Die Welt versinkt

um uns. Es ist so schön mit ihm! Wir verschmelzen, wir sind

eins. Es ist, als würde um uns alles neblig, und die Geräusche

werden leiser. Da sind nur er und ich. Niemand sonst kann mir

ein so schönes Gefühl geben, so geborgen und sicher.“ Die

Patientin glaubt, diesen Mann zu lieben; was sie aber beschreibt,

so Hofmann, ist die Liebe eines hilflosen kleinen Kindes zu seiner

Mutter. Der Wunsch nach Verschmelzung, Geborgenheit und

Sicherheit und die Projektion auf einen bestimmten Menschen,

dem allein man die Macht in die Hände gibt, diese tiefe Sehn-

sucht zu befriedigen.

Auf dem Weg zur individuellen Freiheit:

Hofmann verweist

darauf, dass natürlich nicht alle Bindungsstörungen und früh-

kindlichen Traumatisierungen eine Linderung oder gar Heilung

durch Lac humanum erfahren. Entscheidend sei, wie auch sonst

in der Homöopathie, die individuelle Reaktion auf die auslösende

Ursache. Als wichtige Differenzierung zu anderen Milchmitteln

nennt Tanja Hofmann den „Wunsch nach Individualität und

Selbstverwirklichung, der uns Menschen eigen ist. Wir wollen

zur Gruppe gehören, aber wir wollen in der Gruppe auch etwas

Besonderes sein und nicht ein Indianer unter vielen. Freiheit –

das ist für Lac-humanum-PatientInnen ein bedrohliches Wort,

denn sie assoziieren Freiheit mit Alleingelassensein. Insofern

haben sie auch einen heimlichen Wunsch nach Abhängigkeit.“

Und weiter schreibt sie: „Dieser Wunsch ist die alte Sehnsucht

danach, angenommen zu sein, geliebt zu sein – ein zutiefst

menschlicher Wunsch, der uns oft Partnerschaften eingehen

lässt, die auf Bedürftigkeit und Angst vor Einsamkeit und nicht

auf Liebe gegründet sind.

Lac humanum lässt die inneren Wurzeln wachsen. Das geht

nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit, aber der

Weg lohnt sich, denn er ist ein Weg in die Freiheit.“

Quelle:

Tanja Hofmann, Heilpraktikerin Klassische

Homöopathie

,www.tanjahofmann.com

.

Anmerkung der Redaktion:

Siehe dazu auch Karl Heinz Brisch/

Klaus E. Grossmann / Karin Grossmann / Lotte Köhler (Hrsg.),

Bindungsstörung und frühkindliches

Trauma, Klett-Cotta-Verlag 2002. Die Thematik der Bindungs-

störung hat der Kinderarzt, Neurologe und Homöopath Andreas

Richter in zahlreichen Artikeln mit unterschiedlichen homöopa-

thischen Mitteln in verschiedenen Ausgaben von „Spektrum“

dargestellt.)

3 Vgl. dazu auch Spektrum III_2011 mit dem Schwerpunktthema „Hund und

Katz“, Milchmittel der Hunde- und Katzenfamilien in der Homöopathie, u. a.

auch den Beitrag von Andreas Richter „Ständig bedroht“ mit einem Fallbeispiel

zu Lac lupinum, das der Autor im Zusammenhang mit der Bindungstheorie

beschreibt.