Infektion
Mit der Entwicklung von Impfstoffen und Antibiotika hat die naturwissenschaftliche Medizin vielen Seuchen den Schrecken genommen, die Menschheit ist dadurch gesünder geworden, die Lebenserwartung weltweit erheblich gestiegen. Hat die Homöopathie da überhaupt noch einen Platz in der Behandlung von Infektionskrankheiten? Die Fallbeispiele in dieser Ausgabe von SPEKTRUM geben eine klare Antwort auf diese provokative Frage. Sie stehen für viele PatientInnen, denen mit Antibiotika alleine nicht geholfen ist. Wenn Entzündungen der Nebenhöhlen, der Bronchien oder der Blase trotz zahlreicher antibiotischer Behandlungen immer wiederkehren, ist eine andere therapeutische Strategie gefragt.
Typische Indikationen sind chronische Sinusitis, rezidivierende Harnwegsinfekte und Virusinfekte. Karim Adal und Heiner Frei schildern Fälle mit einer langen Leidensgeschichte frustrierender Behandlungen mit Antibiotika, Kortikoiden, Antihistaminika und sogar Operationen, computertomografisch dokumentiert. Bei Virusinfekten spielt die gezielte Stärkung der Lebenskraft und damit des Immunsystems mangels Alternativen eine besonders wichtige Rolle. Für das humane Papillomavirus zeigt die Gynäkologin Ute Bullemer, dass unter der Behandlung mit homöopathischen Sykosemitteln sich sogar pathologische Zervixabstriche mit Dysplasien normalisieren können. Ähnlich eindrucksvoll sind die Behandlungserfolge der indischen Autoren von der homöopathischen Akademie „The Other Song“ in Mumbai bei Infektionen durch Herpes-Viren.
Gerade in den Ländern der Dritten Welt wird die Homöopathie auch bei infektiösen Krankheiten eingesetzt, die in Europa ausschließlich antibiotisch behandelt werden. Das gilt in Indien zum Beispiel für die Tuberkulose, die – wie in der Kasuistik von Dinesh Chauhan – häufig durch multiresistente Tuberkelbakterien hervorgerufen wird. Vergleichbar mit der Tuberkulose in Indien, aber im Ausmaß noch größer, sind die Probleme mit dem HIV-Virus in Afrika. Auch dort sammelt man Erfahrungen mit der Homöopathie. In unserer aktuellen Ausgabe berichtet Jan Scholten über seine Pilotstudie bei AIDS-Patienten in Afrika mit einem homöopathischen Komplexmittel, das in vielen Fällen zusätzlich zu antiretroviralen Medikamenten eingesetzt wurde. Ein deutlicher Anstieg der Lebenskraft war mit einem auffälligen Rückgang opportunistischer Infektionen verbunden.
Während heutzutage Homöopathen vielfach die Kompetenz und die Berechtigung zur Behandlung von Seuchen wie TBC oder AIDS abgesprochen wird, waren es gerade die Heilerfolge bei einer ebenso tödlichen Seuche, der Cholera, die der Homöopathie im 19. Jahrhundert zum Durchbruch verhalfen. Wir nehmen diesen Aspekt der Medizingeschichte zum Anlass, um für ein komplementäres Miteinander von Schulmedizin und Homöopathie in der Seuchentherapie zu plädieren. Mit dem bereits von Hahnemann beschriebenen Genius epidemicus haben wir die Möglichkeit, bei akuten Ausbrüchen von Infektionskrankheiten frühzeitig gezielt auf die Abwehrkräfte der betroffenen Patienten einzuwirken. Franz Swoboda diskutiert an seinen Erfahrungen mit Antimonium tartaricum und der Mykoplasmen-Nosode Nutzen und Risiken in der Anwendung des Genius epidemicus. Im besten Fall kann uns dieser sogar dazu verhelfen, endlich das Simile für einen chronisch kranken Patienten zu finden. Aber auch ohne solche Glücksfälle gebührt der Homöopathie ein fester Platz in der Therapie akuter wie chronischer Infekte.
https://www.narayana-verlag.de/spektrum-homoeopathie/spektrum-homoeopathie-022018