Sie fühlt sich ausgeschlossen: ein Fall von Sarsaparilla

von Markus Kuntosch

Karin ist ein 12-jähriges, selbstbewusstes und eigensinniges Mädchen, das sich in der Regel gut gegen ihre zwei Brüder durchsetzen kann. Vor vier Jahren hatte sie zweimal eine akute Kehlkopfentzündung mit muffigem Mundgeruch gehabt, die gut auf Sulfur und Mercurius angesprochen hatten.

Jetzt kommt sie wegen Halsschmerzen und Husten in die Sprechstunde, die durch kalte Luft und körperliche Anstrengung schlimmer werden. In der Ruhe, im Liegen und warm eingepackt in Decken bessert sich ihr Zustand. Karin hat weder Durst noch Fieber, sondern sieht blass, grau, sehr leidend und krank aus. Die Atemgeräusche über der rechten Lunge (mitte und unten) sind abgeschwächt, bei der Untersuchung lässt sich außerdem ein feines Knistern hören, auch der Klopfschall ist gedämpft: es liegt eine rechtsseitige Pneumonie vor. Merkwürdigerweise hat die Patientin kein Fieber, aber hustet schon seit zwei Wochen. Die Beschwerden fingen am Tag nach einer Wanderung an, bei der sie trotz des nasskalten Wetters sehr schwitzen musste. Am Tag der Wanderung war sie zweimal sehr gekränkt worden: sie hatte bei der Wahl zur Klassensprecherin gegen ihre Freundin verloren und war auch noch von ihrer Tante versetzt worden, die ihr versprochen hatte, den Nachmittag mit ihr zu verbringen, dann aber einfach nicht kam. Karin hat mittlerweile Zweifel, ob ihre Tante sie wirklich lieb hat, weil sie auch schon einmal ihren Geburtstag vergessen hat. Karins Lieblingsfarbe ist Dunkelrot (10D). Sie isst Salziges lieber als Süßes.

 

Analyse

Die Repertorisation nach der Polaritätsanalyse  stellt Sarsaparilla nur an die 16. Stelle, es ist aber das erste und einzige Mittel, welches auch mit der Farbvorliebe (10D) des Mädchens übereinstimmt. Bei den Arzneimitteln 1-15 gibt es entweder Kontraindikationen oder die Farbvorliebe stimmt nicht.

Der Verlust der sozialen Stellung kommt in diesem Fall als mögliche Ursache in Betracht und es erinnert mich an Veratrum album, eine Pflanze aus der gleichen botanischen Familie, den Liliaceae. An Veratrum denkt man, wenn die Geburt eines Geschwisterkindes die Stellung des Erstgeborenen in Frage stellt und dieser die Aufmerksamkeit der Eltern und Großeltern von nun an teilen muss.

Sarsaparilla ist bekannt als Arznei für Harnwegsinfekte und hatte der Patientin ein Jahr zuvor bei einer akuten Harnwegsentzündung mit brennenden Schmerzen in der Harnröhre immer am Ende des Harnlassens geholfen. Die Sache schien einen Versuch wert zu sein.

 

Verschreibung

Die Patientin bekommt Sarsaparilla C200, aufgelöst in einem Glas Wasser, stündlich einen Teelöffel davon einzunehmen.


Analyse nach Jan Scholtens neuer Pflanzensystematik
Das Hauptproblem in diesem Fall sind die Kränkungen, die die Patientin durch ihre Klassenkameraden und ihre Patentante erfährt. Das ist typisch für die Siliziumserie. Sie hat ihre Führungsposition als Klassensprecherin verloren. Sie ist noch Teil der Klassengemeinschaft, fühlt sich aber unterfordert und will die Erwartungen ihrer Freundinnen nicht mehr erfüllen. Sie will nicht mehr bei den Intrigen mitmachen und wie alle anderen teure Markenklamotten tragen. Sie ist halb drinnen und halb draußen. Sie hatte schon einmal Halsentzündungen mit modrigem Mundgeruch gehabt. Der Begriff ‚modrig‘ lässt sich der Phase 6 zuordnen und die Klassensituation passt dazu. Beides bestätigt Phase 6.

Das Mädchen fühlt sich nicht anerkannt, sie gehört nicht richtig dazu, ist unsicher, manchmal wird sie sogar von ihren Klassenkameraden ausgelacht. Ausgelacht werden gehört zu Subphase 2.

Jan schreibt in seinem Buch ‚Wunderbare Pflanzen‘ über Sarsaparilla mit der Nummer 633.62.08:
„Als Kind haben sie das Gefühl, in ihrer Familie nicht wahrgenommen zu werden, später fühlen sie sich von Freunden oder Kollegen übergangen und ignoriert.“ Er beschreibt Sarsaparilla als Arzneimittel für Pneumonie.

Die schmerzliche Erfahrung mit den Klassenkameraden und der Patentante, gekoppelt mit der Lungenentzündung auf körperlicher Ebene passen zu Sarsaparilla.

Follow-ups

Am nächsten Tag geht es der Patientin schon deutlich besser: sie hat gut geschlafen, der Husten ist weg, sie isst gut und möchte wieder mit ihrem Hund spielen. Drei Tage später höre ich ihre Lunge wieder ab. Der Mittellappen ist jetzt frei, nur im Unterlappen ist noch ein leichtes Knistern zu hören. Weitere vier Tage später ist die Lunge vollständig frei und das Mädchen kann wieder in die Schule gehen. Alles zusammen ist es für eine schwere akute Lungenentzündung ein guter Verlauf. Ich frage meine junge Patientin direkt nach dem psychologischen Trauma. Was war für sie schlimmer? Die Abwahl als Klassensprecherin oder die Enttäuschung durch ihre Patentante? Zuerst nennt sie die Sache mit ihrer Patentante, doch dann erzählt sie mir noch von einem Vorfall, der sich am Morgen ihrer Krankheit in der Schule ereignet hatte: Ein Junge aus ihrer Klasse hatte ihr ein Bein gestellt, sie war gestolpert und wurde von den anderen ausgelacht. Sie fühlt sich ausgeschlossen, weil sie keine teuren Klamotten trägt und sich nicht an den Klassenintrigen beteiligen will. Obwohl sie sich sehr bemüht, Freunde zu finden und zur Klasse zu gehören, fühlt sie sich nicht akzeptiert; sie wird nur toleriert. Rückblickend war das eine sehr schöne Bestätigung der Themen der Liliaceae-Familie nach Sankaran. Das Mädchen fühlt sich ausgeschlossen, nicht als Teil der Klassengemeinschaft. Zwei Wochen nach der akuten Erkrankung hören wir von der glücklichen Mutter, dass es ihrer Tochter wieder gut gehe – sie hat ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden, ist fröhlich und hospitiert gerade an einer anderen Schule. In ihrer jetzigen Schule fühle sie sich unterfordert. An der neuen Schule fühlt sie sich sehr wohl, obwohl sie den Französisch-Stoff eines gesamten Schuljahres nachholen muss. Sie hat neue Freunde gefunden und ist fest in der Klasse verankert. Sie kann sich jetzt ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechend entwickeln.

Zusammenfassung

In diesem Fall kann man sich der richtigen Arznei – Sarsaparilla – auf unterschiedlichen Wegen nähern. Die Arzneimittelwahl wird sowohl durch die Polaritätsanalyse nach Bönninghausen mit Ergänzung der Farbvorliebe, als auch durch die Familienthemen der Liliaceae und die Pflanzentheorie nach Jan Scholten bestätigt.

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Fotos: © Varandah shutterstock.com 158460926

©flaviano fabrizi shutterstock.com 161828765

Sarsaparilla berries; homeredwardprice; Creative CommonsAttribution 2.0 Generic license

Schlüsselwörter: Kehlkopfentzündung, Pneumonie, Zystitis, Verlust der sozialen Stellung, ausgeschlossen, ignoriert.
Mittel: Sarsaparilla

Sie fühlt sich ausgeschlossen: ein Fall von Sarsaparilla

von Markus Kuntosch

Karin ist ein 12-jähriges, selbstbewusstes und eigensinniges Mädchen, das sich in der Regel gut gegen ihre zwei Brüder durchsetzen kann. Vor vier Jahren hatte sie zweimal eine akute Kehlkopfentzündung mit muffigem Mundgeruch gehabt, die gut auf Sulfur und Mercurius angesprochen hatten.

Jetzt kommt sie wegen Halsschmerzen und Husten in die Sprechstunde, die durch kalte Luft und körperliche Anstrengung schlimmer werden. In der Ruhe, im Liegen und warm eingepackt in Decken bessert sich ihr Zustand. Karin hat weder Durst noch Fieber, sondern sieht blass, grau, sehr leidend und krank aus. Die Atemgeräusche über der rechten Lunge (mitte und unten) sind abgeschwächt, bei der Untersuchung lässt sich außerdem ein feines Knistern hören, auch der Klopfschall ist gedämpft: es liegt eine rechtsseitige Pneumonie vor. Merkwürdigerweise hat die Patientin kein Fieber, aber hustet schon seit zwei Wochen. Die Beschwerden fingen am Tag nach einer Wanderung an, bei der sie trotz des nasskalten Wetters sehr schwitzen musste. Am Tag der Wanderung war sie zweimal sehr gekränkt worden: sie hatte bei der Wahl zur Klassensprecherin gegen ihre Freundin verloren und war auch noch von ihrer Tante versetzt worden, die ihr versprochen hatte, den Nachmittag mit ihr zu verbringen, dann aber einfach nicht kam. Karin hat mittlerweile Zweifel, ob ihre Tante sie wirklich lieb hat, weil sie auch schon einmal ihren Geburtstag vergessen hat. Karins Lieblingsfarbe ist Dunkelrot (10D). Sie isst Salziges lieber als Süßes.

 

Analyse

Die Repertorisation nach der Polaritätsanalyse  stellt Sarsaparilla nur an die 16. Stelle, es ist aber das erste und einzige Mittel, welches auch mit der Farbvorliebe (10D) des Mädchens übereinstimmt. Bei den Arzneimitteln 1-15 gibt es entweder Kontraindikationen oder die Farbvorliebe stimmt nicht.

Der Verlust der sozialen Stellung kommt in diesem Fall als mögliche Ursache in Betracht und es erinnert mich an Veratrum album, eine Pflanze aus der gleichen botanischen Familie, den Liliaceae. An Veratrum denkt man, wenn die Geburt eines Geschwisterkindes die Stellung des Erstgeborenen in Frage stellt und dieser die Aufmerksamkeit der Eltern und Großeltern von nun an teilen muss.

Sarsaparilla ist bekannt als Arznei für Harnwegsinfekte und hatte der Patientin ein Jahr zuvor bei einer akuten Harnwegsentzündung mit brennenden Schmerzen in der Harnröhre immer am Ende des Harnlassens geholfen. Die Sache schien einen Versuch wert zu sein.

 

Verschreibung

Die Patientin bekommt Sarsaparilla C200, aufgelöst in einem Glas Wasser, stündlich einen Teelöffel davon einzunehmen.


Analyse nach Jan Scholtens neuer Pflanzensystematik
Das Hauptproblem in diesem Fall sind die Kränkungen, die die Patientin durch ihre Klassenkameraden und ihre Patentante erfährt. Das ist typisch für die Siliziumserie. Sie hat ihre Führungsposition als Klassensprecherin verloren. Sie ist noch Teil der Klassengemeinschaft, fühlt sich aber unterfordert und will die Erwartungen ihrer Freundinnen nicht mehr erfüllen. Sie will nicht mehr bei den Intrigen mitmachen und wie alle anderen teure Markenklamotten tragen. Sie ist halb drinnen und halb draußen. Sie hatte schon einmal Halsentzündungen mit modrigem Mundgeruch gehabt. Der Begriff ‚modrig‘ lässt sich der Phase 6 zuordnen und die Klassensituation passt dazu. Beides bestätigt Phase 6.

Das Mädchen fühlt sich nicht anerkannt, sie gehört nicht richtig dazu, ist unsicher, manchmal wird sie sogar von ihren Klassenkameraden ausgelacht. Ausgelacht werden gehört zu Subphase 2.

Jan schreibt in seinem Buch ‚Wunderbare Pflanzen‘ über Sarsaparilla mit der Nummer 633.62.08:
„Als Kind haben sie das Gefühl, in ihrer Familie nicht wahrgenommen zu werden, später fühlen sie sich von Freunden oder Kollegen übergangen und ignoriert.“ Er beschreibt Sarsaparilla als Arzneimittel für Pneumonie.

Die schmerzliche Erfahrung mit den Klassenkameraden und der Patentante, gekoppelt mit der Lungenentzündung auf körperlicher Ebene passen zu Sarsaparilla.

Follow-ups

Am nächsten Tag geht es der Patientin schon deutlich besser: sie hat gut geschlafen, der Husten ist weg, sie isst gut und möchte wieder mit ihrem Hund spielen. Drei Tage später höre ich ihre Lunge wieder ab. Der Mittellappen ist jetzt frei, nur im Unterlappen ist noch ein leichtes Knistern zu hören. Weitere vier Tage später ist die Lunge vollständig frei und das Mädchen kann wieder in die Schule gehen. Alles zusammen ist es für eine schwere akute Lungenentzündung ein guter Verlauf. Ich frage meine junge Patientin direkt nach dem psychologischen Trauma. Was war für sie schlimmer? Die Abwahl als Klassensprecherin oder die Enttäuschung durch ihre Patentante? Zuerst nennt sie die Sache mit ihrer Patentante, doch dann erzählt sie mir noch von einem Vorfall, der sich am Morgen ihrer Krankheit in der Schule ereignet hatte: Ein Junge aus ihrer Klasse hatte ihr ein Bein gestellt, sie war gestolpert und wurde von den anderen ausgelacht. Sie fühlt sich ausgeschlossen, weil sie keine teuren Klamotten trägt und sich nicht an den Klassenintrigen beteiligen will. Obwohl sie sich sehr bemüht, Freunde zu finden und zur Klasse zu gehören, fühlt sie sich nicht akzeptiert; sie wird nur toleriert. Rückblickend war das eine sehr schöne Bestätigung der Themen der Liliaceae-Familie nach Sankaran. Das Mädchen fühlt sich ausgeschlossen, nicht als Teil der Klassengemeinschaft. Zwei Wochen nach der akuten Erkrankung hören wir von der glücklichen Mutter, dass es ihrer Tochter wieder gut gehe – sie hat ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden, ist fröhlich und hospitiert gerade an einer anderen Schule. In ihrer jetzigen Schule fühle sie sich unterfordert. An der neuen Schule fühlt sie sich sehr wohl, obwohl sie den Französisch-Stoff eines gesamten Schuljahres nachholen muss. Sie hat neue Freunde gefunden und ist fest in der Klasse verankert. Sie kann sich jetzt ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechend entwickeln.

Zusammenfassung

In diesem Fall kann man sich der richtigen Arznei – Sarsaparilla – auf unterschiedlichen Wegen nähern. Die Arzneimittelwahl wird sowohl durch die Polaritätsanalyse nach Bönninghausen mit Ergänzung der Farbvorliebe, als auch durch die Familienthemen der Liliaceae und die Pflanzentheorie nach Jan Scholten bestätigt.

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Fotos: © Varandah shutterstock.com 158460926

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Sarsaparilla berries; homeredwardprice; Creative CommonsAttribution 2.0 Generic license

Schlüsselwörter: Kehlkopfentzündung, Pneumonie, Zystitis, Verlust der sozialen Stellung, ausgeschlossen, ignoriert.
Mittel: Sarsaparilla





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